Komplexität ist das Stichwort, welches die Notwendigkeit des Einsatzes agiler Methoden im Vertriebsprozess am besten zusammenfasst.
Agiler Vertrieb – Warum agile Methoden im Vertriebsprozess Einzug halten
Informationen über Standardlösungen, Produktdatenblätter und dergleichen kann der Kunde heute in vielen Bereichen direkt über das Internet beziehen. Der Informationsvorsprung, der den Vertrieb einmal wesentlich ausgemacht hat, schrumpft dadurch in sich zusammen.
Gleichzeitig benötigen Kunden immer öfter individuelle Lösungen und Produktspezifikationen. Die wachsenden Anforderungen erfordern heute zudem häufig ein breit aufgestelltes Team, um ein Kundenprojekt in seiner Gesamtheit zu betreuen. Die agile Organisation solcher interdisziplinären Teams hat sich zuerst in der Softwareentwicklung etabliert. Doch diese Methoden lassen sich auch in anderen Unternehmensbereichen einsetzen. Eine agile Vertriebsorganisation lässt sich beispielsweise mittels Scrum realisieren.
Agiler Vertrieb mit Scrum
Um die Bedeutung der Retrospektive zu verstehen ist es sinnvoll, sich zunächst einen Überblick über Scrum selbst zu verschaffen. Es handelt sich bei dieser Methode um ein Rahmenwerk (Framework), welches Hilfestellung bei komplexen Aufgaben leistet.
Ziel von Scrum ist die Schaffung und Auslieferung möglichst werthaltiger Produkte. Scrum-Teams bestehen aus divers aufgestellten Mitgliedern und setzen sich aus der Gruppe der Entwickler (dem Vertriebsteam), einem Produkt-Owner (zumeist der früheren Vertriebsleitung) und dem Scrum-Master zusammen. Letzterem kommt die Aufgabe zu, die agilen Methoden im Team fest zu etablieren und für die Einhaltung des Frameworks zu sorgen.
Scrum ein iterativer Prozess. In aufeinanderfolgenden Arbeitsschritten von 1-4 Wochen, den sogenannten Sprints, werden jeweils potentiell auslieferbare Ergebnisse produziert, z. B. bestimmte Produktfeatures. Während jedes Sprints finden festgelegte Meetings (sogenannte Ereignisse) statt. Dabei steht die Retrospektive, welcher sich dieser Artikel widmet, jeweils am Ende eines Sprintintervalls.
Die Retrospektive und ihre Bedeutung im Vertriebsprozess
Bei diesem Ereignis ist die zentrale Frage: Was kann beim nächsten Mal besser laufen und wie soll dies erreicht werden?
Bei dieser Fragestellung wird das Team weder von außen noch von oben geführt, sondern entwickelt aus sich selbst heraus Strategien zur Verbesserung. Dieser Prozess kann anfangs schwierig und mitunter sehr emotionsgeladen sein. Insbesondere neuere Teammitglieder oder weniger erfolgreiche Verkäufer tun sich unter Umständen schwer damit, Kritik zu äußern oder Lösungsvorschläge zu bringen, weil sie eine Abwertung durch die erfahrenen Kollegen oder Topverkäufer befürchten. Dabei führen gerade die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Dinge und bisher noch nicht gegangene Lösungswege zu einer echten Weiterentwicklung im Team.
Agiler Vertrieb – das macht die Retrospektive so wertvoll
Stillstand bedeutet Rückschritt. Das gilt natürlich ganz besonders auch in einer komplexen Umgebung wie der des Vertriebs. Eine permanente Verbesserung der eigenen Leistung und der Ergebnisse ist für das Vertriebsteam immanent wichtig, um am Markt zu bestehen. Man kann darüber streiten, ob man ein Wochenmeeting mit Sales und Service in 15 Minuten im Stehen abhalten muss (sogenannter Daily Scrum). Nicht aber darüber, dass Probleme und Fehlerquellen möglichst rasch aus der Welt geschafft werden sollten und jede gemeinsam gefundene Lösung die Zusammenarbeit im Team stärkt. Die Teammitglieder entscheiden dabei nicht nur darüber, WAS verbessert werden soll, sondern vor allem auch WIE.
Der Vorteil der Retrospektive liegt zudem in der Tatsache, dass es nicht notwendig ist, agiles Arbeiten zuvor vollumfänglich im Vertrieb zu integrieren. Tatsächlich kann die Retrospektive der Einstieg in ein anderes Arbeiten sein. Da in den meisten Unternehmen die Vetriebler ohnehin regelmäßig zu einem Jour fixe zusammenkommen, kann die Retrospektive hier im zeitlichen Abstand von jeweils 1-4 Wochen mit integriert werden. So wird ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess in die Vertriebsarbeit integriert. Die regelmäßige Aussprache führt dazu, dass die Teammitglieder mit der Zeit und etwas Übung offener werden und Probleme oder Differenzen ansprechen, bevor diese eskalieren.
Ablauf der Retrospektive im Vertrieb
Regelmäßigkeit, eine nicht zu überschreitende Timebox und fünf aktive Phasen – so kann das Meeting in der Praxis aussehen.
Wichtig ist, dass grundsätzlich alle Teammitglieder anwesend sein sollen, das Vertriebsteam ebenso wie der Product Owner und der Scrum-Master. Der Scrum-Master ist in der Retrospektive besonders gefragt. Es kann bei solchen Terminen mitunter sehr emotional werden – entsprechend notwendig ist eine gute Moderation.
Regelmäßigkeit
Entsprechend den in Scrum vorgegebenen Sprintzeiten von 1-4 Wochen soll auch die Retrospektive in diesen festen zeitlichen Abständen stattfinden. Dabei geht Regelmäßigkeit vor Vollständigkeit. Es ist zwar gewünscht, dass nach Möglichkeit immer das gesamte Team anwesend ist, doch wird es immer wieder vorkommen, dass Teammitglieder aufgrund von Urlaub oder Krankheit verhindert sind. In diesen Fällen wird die Retrospektive nicht verschoben, sondern findet eben mit den anwesenden Teammitgliedern statt.
Timebox
Scrum sieht für die Retrospektive eine maximale Timebox (Dauer) von drei Stunden vor, sofern sie alle 4 Wochen stattfindet. Je kürzer die zeitlichen Abstände zwischen den Retrospektiven, desto kürzer auch deren Dauer. Diese zeitlichen Beschränkungen in Scrum sollen dazu führen, dass während der Ereignisse (Meetings) konzentriert gearbeitet wird. Dies kann dazu führen, dass eine Retrospektive endet, obwohl gerade ein schwieriges Thema auf dem Tisch liegt oder noch keine Ergebnisse gefasst werden konnten. In solchen Fällen ist insbesondere der Scrum-Master gefragt, welcher einerseits dafür sorgen muss, dass die zeitliche Begrenzung eingehalten wird, andererseits aber auch einen Arbeitsauftrag für sich mitnehmen muss, damit die offengelegten Probleme nicht bis zur nächsten Retrospektive eskalieren.
Von dieser 5 Phasen der Retrospektive profitiert agiler Vertrieb
Um die Ziele der Retrospektive bestmöglich zu erreichen, wird das Meeting idealerweise in folgende fünf Phasen unterteilt:
→ Intro
→ Daten sammeln
→ Einsichten gewinnen
→ Maßnahmen beschließen
→ Abschluss
Das Intro startet mit der Begrüßung und legt den Rahmen für das folgende Ereignis fest. Neben der zur Verfügung stehenden Timebox werden hier noch einmal die Spielregeln erläutert. Es ist hilfreich, wenn der Scrum-Master (in seiner Funktion als Moderator) während des Intros für eine positive Grundstimmung sorgt. Aber auch die Visualisierung der derzeit grundsätzlich im Team herrschenden Stimmung ist Bestandteil des Intros.
Der Mittelteil der Retrospektive ist bewusst aktiv formuliert. In der ersten Phase des Datensammelns geht es darum, Informationen zusammenzutragen, die bei der Bewertung der aktuellen Lage des Teams hilfreich sind. Dies sind zum einen die harten Fakten, beispielsweise die Häufigkeit von Änderungswünschen seitens der Kunden, aber auch weniger gut messbare, „weiche“ Faktoren wie positive oder negative Erfahrungen seit der letzten Retrospektive. Das Team einigt sich gemeinsam darauf, welche Themen weiterbearbeitet werden sollen, denn aufgrund des begrenzten Zeitbudgets können oft nicht alle verbesserungswürdigen Bereiche akut und gleichzeitig berücksichtigt werden.
In der folgenden Phase (Einsichten gewinnen) liegt der Fokus auf der näheren Auseinandersetzung mit den ausgewählten Themenbereichen. Essentiell ist die Ursachenforschung, denn ohne diese können die im Folgenden beschlossenen Maßnahmen nur Symptombehandlung sein.
Schließlich werden Maßnahmen beschlossen, um Verbesserungen in den zuvor bearbeiteten Bereichen zu erzielen. Dabei wird konkret festgelegt, wer was und bis wann erledigen wird.
Als Abschluss der Retrospektive folgt eine Feedbackrunde. Diese kann vor allem dem Moderator helfen, die nächste Retrospektive noch besser vorzubereiten.
Für jede Phase der Retrospektive wurden bereits spannende Tools und Aktivitäten entwickelt, die den Verbesserungsprozess sinnvoll unterstützen. Eines dieser Tools, der Retromat, soll hier zum Abschluss kurz vorgestellt werden.
Tool für die Retrospektive – der Retromat
Der Einstieg in die Retrospektive fällt agilen Vertriebsteams nicht immer leicht. Um dieses Ereignis besser zu strukturieren und so gute Ergebnisse zu liefern, helfen Tools wie der Retromat. Dieses Online-Tool generiert aus 139 verschiedenen Angeboten jeweils eine zufällige Zusammenstellung von fünf Aktivitäten, eine für jede Phase der Retrospektive. Auf diese Weise profitiert Agiler Vertrieb davon dass jede Retrospektive etwas anders verläuft und spannend bleibt. Neben diesem kostenlosen Tool bietet die Seite Retromat aber auch geeignete Methoden für die allererste Retrospektive eines neu organisierten agilen Vertriebs an.
Fazit
Die Retrospektive ist ein starkes Tool zur Förderung von Agilem Vertrieb. Sie eignet sich hervorragend dazu, Agilität im Vertrieb zu installieren, ohne direkt die gesamte Arbeitsweise des Vertriebes zu verändern. Aus diesem Grund sollte im Zweifelsfall die Retrospektive die erste (und notfalls einzige) Maßnahme für eine agile Vertriebsorganisation sein.
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