Provisionsmodelle: 11 Gründe die dagegen sprechen

... und was du stattdessen tun kannst.

Es gibt die Unternehmen die ein Provisionssystem haben und es sich nicht anders vorstellen können.
Und es gibt die Unternehmen die kein Provisionsmodell haben, es sich aber durchaus anders vorstellen können.

Und dann gibt es noch die wenigen Unternehmen, die sich bewusst gegen Provisionen im Vertrieb entscheiden.

Ich habe schon sehr oft Prozesse begleitet in denen es genau darum ging: Lang gehegte Gewohnheiten im Vertrieb abschaffen und entweder ganz sein lassen oder durch wesentlich besser funktionierende abzulösen.

Es gibt die Unternehmen die ein Provisionssystem haben und es sich nicht anders vorstellen können.
Und es gibt die Unternehmen die kein Provisionsmodell haben, es sich aber durchaus anders vorstellen können.

Und dann gibt es noch die wenigen Unternehmen, die sich bewusst gegen Provisionen im Vertrieb entscheiden.

Ich habe schon sehr oft Prozesse begleitet in denen es genau darum ging: Lang gehegte Gewohnheiten im Vertrieb abschaffen und entweder ganz sein lassen oder durch wesentlich besser funktionierende abzulösen.

Provisionen und Boni sind dabei gefühlt der härteste Brocken.
Wenn Unternehmen also Provisionen und Bonussysteme für den Vertrieb abschaffen wollen, dann handelt es sich auf den ersten Blick um ein „dickes Brett“.

Warum das gar nicht so ist und welche Erkenntnisse dabei helfen können, solche Praktiken zu streichen, darum geht es in diesem Beitrag.

Er handelt von den 9 Gründen, die ganz klar gegen so gut wie jede Art von Variabler Anreizbasierter Vergütung sprechen.

Ich schicke noch einen ganz mini kleinen Disclaimer vorweg:
Ich selber habe den größeren Teil meines Berufslebens unter dem Einfluss Anreizbasierter Bezahlung gearbeitet und an mir selber sowie an den Menschen die ich geführt habe beobachtet, welche Auswirkungen diese Art der Bezahlung hat.

Die Erkenntnis, dass jedes dieser Provisionsmodelle im Vertrieb erheblichen Schaden angerichtet hat, kam mir nachdem ich einige Jahre mit einem sehr hohen Fixum, ohne jeglichen Einfluss von Provisionen arbeiten durfte und dann zurück in ein Provisionssystem gegangen bin.

Vieles was ich heute über Provisionen erzähle fußt auf dieser Erfahrung.
Denn daraus habe ich viele Fragen an Vertriebsprofis und Vertriebsführungskräfte abgeleitet um mehr darüber zu erfahren, wie diese sich unter dem Einfluss von Anreizbasierter Vergütung verhalten und was erfolgreiche Vertriebsführung ohne Provisionen bedeutet.

Dies sind Sie: 11 Gründe gegen Provisionsmodelle im Vertrieb

  1. Provisionsmodelle und Bonussysteme sind ein Versuch der Steuerung.
  2. Provisionen tragen massiv dazu bei, dass Individualisten im Vertrieb einen hohen Stellenwert erhalten
  3. Provisionsmodelle vernachlässigen individuelles Können.
  4. Provisionen und Boni lenken ab.
  5. Anreizsysteme fressen Ressourcen.
  6. Provisionsmodelle fördern das Misstrauen im Unternehmen.
  7. Sie erzeugen interne Referenzen, anstatt den Blick aufs Marktgeschehen zu lenken.
  8. Sie fördern das Gegeneinander anstatt Kooperation zu ermöglichen. (Stichwort für mich: High-Performer-Mythos wird gefördert)
  9. Extrinsische Motivation, verhindert intrinsische Motiviertheit
  10. Provisionen degradieren Vertriebsmitarbeitende zu Auftragslieferanten
  11. Studien weisen nach, dass das Beste was mit Provisionen erreicht werden kann ist, dass sie unwirksam sind. In den meisten Fällen richten Sie erheblichen Schaden an.

Im Folgenden führe ich alle diese Punkte näher aus.

Provisions- und Bonussysteme sind ein Versuch der Steuerung

Du wirst dich jetzt eventuell fragen, weshalb das ein Problem sein soll. Ich sage es dir.

Vertriebsarbeit und auch jede andere Arbeit im Unternehmen ist heute nicht mehr vorhersehbar. Die Komplexität ist in den letzten Jahren derart gestiegen, dass fast alles was in Unternehmen getan wird zu mehr oder weniger großen Anteilen von Überraschungen geprägt ist.

  • Kunden stellen immer wieder neue Anforderungen
  • Wettbewerber entwickeln neue Produkte, Dienstleistungen und Konditionsmodelle
  • Bewerber verhalten sich anders als vorhergesehen
  • usw.

Steuerung verursacht in solchen Fällen eine große Trägheit. Denn Steuerung bedeutet, dass anhand vorweggenommener Annahmen bestimmte Arbeitsschritte definiert werden, Ziele festgelegt werden und Provisionshöhen für bestimmte Vertragskonstellationen definiert werden.

Provisionssysteme greifen steuernd in das Verhalten von Vertriebsmitarbeiterinnen und Vertriebsmitarbeitern ein. Denn in ihnen ist definiert für welche Erfolge es wieviel Geld gibt, was überhaupt als „Erfolg“ wahrgenommen wird, welche Produkte eher verkauft werden sollten als andere usw.

Dies tun sie, schlimmer noch als Quartals- oder Jahresziele, für eine ziemlich lange Zeit. Denn es dauert, diese Systeme zu entwickeln. Sie sind Arbeitsrechtlich höchst kompliziert zu gestalten und viele Menschen müssen mitreden um ein solches Provisionssystem zu gestalten und live gehen zu lassen.

Steuerung führt in komplexen Umfeldern dazu, dass dein Unternehmen träge wird. (Wie du herausfindest wann Steuerung angebracht ist und wann nicht, das erfährst du in Episode 15
meines Podcasts „Mitstreiter“)
Ihr seid dann nur noch schwer in der Lage, euch an Veränderungen in der Umwelt deines Unternehmens anzupassen.

Setzt ein Mitbewerber einen Reiz, der bedeuten würde, dass ihr ein – aus Provisionssicht – nicht so attraktives Produkt stärker verkaufen müsst, dann wird euch dies nur sehr schwer gelingen. Der unmittelbare Anreiz, die Chance auf hohe Provisionen, überdeckt die Anforderung des Marktes.

Ich habe Situationen erlebt, in denen solche Dinge schnell aufgefallen sind.
Dann hat das jeweilige Management versucht, schnell einzugreifen und die Anreize zu verändern.

Dies ist nicht so oft gelungen (denn auch bei Veränderungen am System müssen viele Menschen mitreden, das Arbeitsrecht muss beachtet werden usw.). Wenn es mal gelungen ist, hatten solche Veränderungen oft nicht lange Bestand, weil Kunden oder andere Marktteilnehmer schnell mit neuen Überraschungen aufgewartet haben, die wiederum Veränderungen nach sich ziehen mussten.

In solchen Unternehmen passiert dann eines von zwei Dingen:

Entweder überhitzt die Organisation bei dem Versuch immer wieder anders steuernd einzugreifen. Was wesentlich dazu beiträgt das Punkt 4, 5 und 6 in diesem Beitrag weiter verstärkt werden.

Oder Anpassungen werden sein gelassen. Dies behindert das Unternehmen darin, möglichst erfolgreich Wertschöpfung zu betreiben. Es bleibt hinter seiner Leistungsfähigkeit zurück. Verschwendung ist damit an der Tagesordnung.

Wenn ihr noch kein Provisionssystem habt, spart es euch.
Ihr erspart euch so viele Symptome die zwangsläufig auftreten würden und haltet euch Marktfähiger.
Solltet ihr aktuell darüber nachdenken, ein solches System einzuführen, dann stellt euch die Frage, welche Grundüberzeugung euch dazu bringt, ein solches Provisionsmodell oder Bonussysteme einführen zu wollen.

Wenn ihr ein Provisionssystem anwendet, lies weiter. Erfahrungsgemäß reicht dieser eine Punkt nicht als Argument für eine Abschaffung aus. Zu stark ist die Kraft der Erfahrungen die gesammelt wurden. Leider fehlt oft die Erkenntnis, dass Erfahrungen immer unter dem Einfluss gegebener Bedingungen (hier: Anreizbasierte Vergütung) gemacht werden. Sich vorzustellen, dass sich Menschen vollkommen anders verhalten, wenn sie andere Verhältnisse vorfinden, fällt oftmals schwer.

Provisionsmodelle machen Vertriebler zu Dienstleistern

Provisionen tragen massiv dazu bei, dass Individualisten im Vertrieb einen hohen Stellenwert erhalten

Wir kennen sie fast alle. Die Vertriebsmitarbeiter die immer mit vor Stolz geschwellter Brust durch die Flure gehen, sich die Schultern klopfen lassen und betonen, welchen hohen Stellenwert ihre Arbeit für den Erfolg des Unternehmens hat.

Ziemlich kluge Menschen, wenn man berücksichtigt woher dieses Verhalten stammt.

Denn solche Top-Verkäufer*innen und die Tatsache, dass alle wissen können wieviel jemand (angeblich) alleine zum Erfolg beiträgt, sind immer dann zu beobachten, wenn Provisionssysteme Einzelleistung belohnen.

Um Provisionen ausschütten zu können, müssen Unternehmen den Erfolg messen. Wenn diese Provisionen an einzelne Menschen ausgezahlt werden, dann messe ich also auch den Erfolg einzelner Menschen.

Das Problem ist: Einzelleistung existiert nicht. Niemand kann erfolgreich verkaufen, wenn nicht viele andere Menschen ihren Job richtig gut machen.

Wenn wir aber nun ausgerechnet die Einzelleistung derer messen und zu belohnen versuchen, die am Ende zwar die Unterschrift holen, ansonsten aber massiv von der Arbeit anderer abhängig sind, dann richten wir erheblichen Schaden an. Kein Unternehmen kann es sich heute noch leisten, Helden zu fördern. Aus drei Gründen:

  1. Wenn ich Einzelne belohne, mindert dass die Kooperationsbereitschaft aller anderen
  2. Diejenigen die angeblich weniger leisten, geben auf. Sie werden aktiv demotiviert.
  3. Wer immer knapp hinten liegt, geht in den Konkurrenzkampf und wendet dafür unnötig Energie auf, die besser eingesetzt wäre um Kooperation zu fördern.

Provisionssysteme vernachlässigen individuelles Können

Um bewerten zu können wie gut die Leistung eines Menschen im Vergleich zu anderen ist, muss ich Annahmen tätigen. Diese Annahmen beruhen auf Erfahrungen der Vergangenheit. Sie beziehen sich auf bereits vorhandenes Wissen. Die Bewertungsmaßstäbe werden standardisiert.

Das Problem dabei ist, dass Standardisierung dazu führt, dass Menschen dem Standard folgen und die einmal definierten Ziele erreichen wollen.

Damit schränke ich massiv das Potenzial von Innovationen durch Einzelne ein. Ich ignoriere die Tatsache, dass im Arbeitsalltag immer wieder Überraschungen auftreten, die ein Unternehmen so noch nicht erlebt hat. Diese Überraschungen können in standardisierten Provisionssystemen nicht berücksichtigt werden.

Du wirst mir aber zustimmen, wenn ich feststelle, dass gerade Überraschungen den unternehmerischen Erfolg bringen. Die passende Reaktion auf noch unbekannte (Kunden)Probleme, erzeugt Innovation und führt zu mehr Unternehmenserfolg.

Wenn Unternehmen die Bewertung von Leistung standardisieren (Provisionssysteme), erzeugen sie Mittelmäßigkeit, weil sie die Reaktion auf Überraschungen unterdrücken. Jeder der an vorgefertigten Zielen gemessen und nach deren Erreichung entlohnt wird, ignoriert Überraschungen um sich auf seine Zielerreichung konzentrieren zu können.
Das ist gerade im Vertrieb oft sehr gut zu beobachten, wenn mehr oder weniger leises Gemurmel über die vielen Sonderwünsche von Kunden zu vernehmen ist. Oft wird gemeckert und das eigene Gemeckere dann mit den Nachsatz „Aber Kunden dürfen das, die zahlen unser Gehalt.“ kommentiert.

Ein weiterer Punkt der dazu beiträgt, dass Provisionssysteme in die Mittelmäßigkeit führen ist die Tatsache, dass die in ihnen definierten Ziele gegeneinander gewichtet werden. Wenn das eine Ziel höher bewertet ist als ein anderes, dann versuche ich zuerst das erste zu erreichen. Auch die Annahme darüber, welches Ziel wichtiger ist, beruht aber nur auf Annahmen die wiederum auf Erfahrungen beruhen. Nur kann niemand sagen, ob diese Annahme auch noch in 6 Monaten zutrifft, wenn sich die Marktsituation verändert hat.

Provisionen und Boni lenken ab

Jede Handlung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vollziehen, denen Provisionen und Boni in Aussicht gestellt werden, richtet sich auch an der Abwägung aus ob diese Handlung die Wahrscheinlichkeit der Auszahlung erhöht oder nicht.

Somit gilt ein Teil der Aufmerksamkeit dem Vergütungssystem und ein anderer der Wertschöpfung.
Im Idealfall, das ist das am häufigsten vorgebrachte Gegenargument gegen diesen Punkt, stimmen diese beiden Perspektiven vollkommen überein. Diejenigen die das Provisionssystem erdacht haben, haben es dann also geschafft, jede noch so kleine Eventualität vorherzusehen und einzuarbeiten.

Ich halte dies für eine Behauptung die sich in 100% der Fälle nicht bewahrheitet. Nicht weil die Erdenker von Provisionssystemen zu dumm wären, sondern weil kein Mensch in der Lage ist, alle zukünftigen Entwicklungen, jede sich verändernde Marktanforderung und jede Schwierigkeit vorherzusehen. Dazu ist die Welt viel zu komplex.

Anreizsysteme fressen Ressourcen

Wenn Anreizsysteme existieren, werden im gesamten Unternehmen entsprechende Ressourcen gebunden, die an anderer Stelle wahrscheinlich sehr viel sinnvoller eingesetzt werden könnten. Beispiele für solche Ressourcen sind:

  1. Abrechnungsmodalitäten der Vertriebsmitarbeiter
  2. Kontrolle der eingereichten Provisionen durch Vorgesetzte
  3. Aufwand in der Lohnbuchhaltung
  4. Vielfache Gespräche zur Abstimmung, Verhandlung und Anpassung solcher Systeme zwischen der Geschäftsführung, Vertriebsleitung, dem Betriebsrat, Vertretern der Lohnbuchhaltung usw.
  5. Gespräche zwischen von Provisionen betroffenen Mitarbeitenden darüber wie fair oder unfair das System ist, wie man es „austricksen“ kann und welche kleinen Tricks und Kniffe angewandt werden müssen um mehr für sich rauszuholen.

Dies sind nur 5 Beispiele. Sicherlich lassen sich noch vielfältige andere Dinge entdecken.

Provisionen sind dokumentiertes Misstrauen

Provisionen fördern das Misstrauen im Unternehmen

Mit welcher Grundannahme werden die allermeisten Provisionssysteme ins Leben gerufen und übliche Provisionen im Vertrieb ausgeschüttet?
„Vertriebler sind Geldgierig und lassen sich nur über die Höhe ihres Einkommens motivieren. Sie tun ansonsten weniger als sie könnten.“

Ganz abgesehen davon, dass dieses Menschenbild nach aktueller Forschung nicht zutrifft, fördern solche Annahmen ganz sicher nicht das Vertrauen untereinander.

Wer solche Systeme ersinnt, scheint allen anderen zu misstrauen, ihre Arbeit gut zu machen auch ohne angereizt zu werden.

Und wer andere dabei beobachtet, solche Systeme aufzubauen, wird darauf reduziert, Auftragslieferant zu sein und fühlt sich nicht ernstgenommen. Die schlimmste Interpretation die möglich ist: „Die anderen trauen mir zu, nicht immer im Sinne des Unternehmens zu handeln.“

8 Impulse für moderne Führung (mit und ohne Provisionssystem)

Du führst bereits erfolgreich und hast jede Menge Erfahrung?

Dann weißt du, dass sich die Welt um uns herum ständig verändert und dass du als Führungskraft die Verantwortung hast, so zu führen dass ihr immer erfolgreich zusammenarbeiten und den Kunden die besten Ergebnisse liefern könnt.

Erfahre in 8 kurzen Impulse, wie schon kleine Veränderungen dabei helfen, dass ihr euch besser anpasst, dass alle im Team ihr volles Potential entfalten und dass die Motiviertheit niemals endet.

Provisionssysteme schließen den Markt aus dem Unternehmen aus

Womit sollten sich möglichst alle Menschen im Unternehmen beschäftigen, wenn Höchstleistung funktionieren und Wertschöpfung gelingen soll?

Ich sage: Mit dem Markt. Also dem was von Außen ans Unternehmen geliefert wird. Kunden, Lieferanten, Bewerber, Partner. Das sind diejenigen auf die sich alle Menschen im Unternehmen konzentrieren können sollten.

Mit Provisionssystemen ist das schwieriger als ohne.
Denn Provisionssysteme lenken den Blick nach Innen. Fragen wie:

  • Ist es fair, wie wir entlohnen?
  • Warum bekommt nur der Vertrieb Provisionen?
  • Ist das System so optimal gestaltet?
  • Betrügt uns auch niemand?

Und viele andere, stehen dann im Vordergrund.

Hinzu kommt, dass Mitarbeitende die Provisionen erwirtschaften können, versuchen werden, das System so gut wie möglich auszunutzen. Dazu vergleichen Sie sich mit anderen, ersinnen Tricks und Kniffe, mehr Geld zu verdienen und denken dabei keineswegs an das Wohl des Kunden, sondern an ihr eigenes.

Ich spreche mit vielen Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern. Alle erzählen mir irgendwann amüsante Geschichten darüber, wie sie es schon einmal geschafft haben, das System für sich auszunutzen.

Ein Beispiel?

Ich selber habe, bei einem meiner Arbeitgeber (lange vor meiner Selbständigkeit), folgendes erlebt.

Unsere Vertriebskollegen (ich hatte damals eine Position inne, in der ich zwar direkt verkauft habe aber keine Provisionen erwirtschaften musste) wurden damals (grob gesagt) pro Auftrag nach Umsatz und Marge entlohnt.

0,5% Provision auf den Umsatz und
10% Provision auf die Marge

wurde jeweils als Provision ausgezahlt.
Zusätzlich wurden temporär Pauschale Beträge ausgezahlt, wenn bestimmte Produkte oder Softwarelizenzen verkauft wurden.

In einem Geschäftsjahr hatte die Konzernzentrale die Vorgabe herausgegeben, dass jeder Vertriebsmitarbeitende so viele Softwarelizenzen einer neuen Software wie möglich verkaufen sollte. Dies immer zusätzlich zu Hardware und Dienstleistung, die unser Standardgeschäft gewesen sind.

Jeder Kunde benötigte eine Lizenz um mit der Software arbeiten zu können. Unabhängig von Mitarbeiterzahl, Nutzerzahl oder Menge der Geräte die auf die Software Zugriff nehmen konnten.

Auf diese Softwarelizenz wurde eine Sonderprovision von 100,00 € gezahlt.
Sie kostete 500,00 €.

Was haben die Vertriebskolleg*innen also getan?

Angenommen ein Kollege hat einen Auftrag über 50.000,00 € mit 2.500,00 € Marge gewonnen und der Kunde hat eine Lizenz der Software gekauft.
Für diesen Auftrag hätte er

250,00 € Umsatzprovision
250,00 € Margenprovision und
100,00 € Sonderprovision

Also in Summe 600,00 € Proviosion

erhalten.

Wenn dieser Kollege nun folgendes getan hätte (und es gab sehr schnell niemanden mehr im Vertrieb der es nicht genau so getan hat), dann sah die Rechnung so aus

250,00 Umsatzprovision
0,00 € Margenprovision
600,00 € Sonderprovision

Er hat also in Summe 850,00 € Provision erhalten.

Wie das?

Die Kolleginnen und Kollegen haben jeden Euro Marge mit dem es ging, in Softwarelizenzen umgewandelt.
Der Kunde in diesem Beispiel hat also 6 Lizenzen erhalten und bezahlt obwohl er nur eine brauchte.
Das Unternehmen hatte deutlich weniger Marge an jedem einzelnen Auftrag und musste zudem noch deutlich höhere Provisionen zahlen.

Die Gewinner waren die Kolleginnen und Kollegen die Provisionen verdienen konnten. Eine Steigerung der Provision in Höhe von ca. 30% hat sich selbstverständlich deutlich auf dem Konto gezeigt.

Es ging sogar soweit, dass die Kolleginnen und Kollegen Techniker, die beim Kunden Hardware und Software installieren mussten, bestochen haben, damit diese nicht verraten, dass jeder Kunde mehr als eine Lizenz der Software erhalten hat.

Man könnte sagen: Provisionen verleiten zum Betrug.
Was sie in diesem Fall aber auf jeden Fall angerichtet haben, war der Ausschluss des Marktes aus dem Unternehmen.

Denn der Rückschluss der Unternehmensleitung war unter anderem der, dass solche Software offensichtlich sehr gefragt ist und sich deshalb die Weiterentwicklung lohnt.

Dem war aber nicht so. Denn so gut wie kein Kunde wusste überhaupt, dass er die Software gekauft hatte. Geschweige denn, in welch hoher Stückzahl.

Dieser Schaden war noch erheblich größer als die Auszahlung zu hoher Provisionen. Denn die Entwicklungskosten beliefen sich auf einen sehr hohen 6stelligen Betrag. Mit der Änderung der Bonusregelung, ging aber der Absatz der (Nachfolge)-Software auf 11% der Lizenzahl des Vorjahres zurück.

Die Konsequenz?
Verärgerte Konzernlenker, Vertriebsmitarbeiter die sich die Hände gerieben haben, ein Geschäftsführer der Deutschen Tochtergesellschaft der einen erheblichen Teil seines eigenen Bonus zurückzahlen musste und sehr viel Misstrauen untereinander.

Provisionssysteme und Bonusvereinbarungen fördern das „Gegeneinander“ anstatt dringend benötigte Zusammenarbeit zu ermöglichen

Die einen bekommen Provision – die anderen nicht.
Bekomme ich eine höhere Provision als meine Kollegen?
Sehen meine Zahlen allgemein besser aus als die aller anderen? Was muss ich dafür tun?

Provisionssysteme führen dazu, dass sich einzelne Menschen gegeneinander vergleichen. Sie heizen den Wettbewerb zwischen Vertriebsmitarbeitern an und verführen dazu, Kolleginnen und Kollegen zu sabotieren oder ihnen (in der kostbaren Zeit, die man selber hat, erfolgreich zu verkaufen) zumindest nicht zu helfen.

Und auch das Gerede zwischen Abteilungen (insbesondere zwischen Marketing und Vertrieb) hinsichtlich der Tatsache, dass die einen Provisionen bekommen und die anderen nicht, ist pure Verschwendung. Die Reaktionen gehen bis dahin, dass diejenigen die keine Provisionen erhalten, denen die welche erhalten, nur sehr ungerne helfen.

Dabei existiert Einzelleistung nicht.
Niemand im Unternehmen kann seine Arbeit erfolgreich tun ohne mit anderen Zusammenzuarbeiten. Auch nicht diejenigen die beim Kunden am Tisch sitzen und die Unterschrift nach Hause bringen.

Wer schreibt den Vertrag?
Wer hilft bei der Kalkulation?
Wer repariert später die Maschinen?
Wer erbringt die eigentliche Dienstleistung?
Wer schickt dem Kunden die Rechnung?

usw.

Das ist der Grund aus dem einige Unternehmen mittlerweile auf Teamprovisionen zurückgreifen, die zumindest einen Teil des Erfolgs als gemeinschaftliche Leistung messen und entlohnen.
Auch solche Systeme wiegen die vielen Nachteile nicht auf und verstärken einiges (wie zum Beispiel die Ablenkung vom Markt) sogar noch.

Provisionen zerstören Teamwork.
Egal, für wie ausgeklügelt du euer System hältst.

Extrinsische Motivation zerstört intrinsische Motiviertheit

Menschen sind grundsätzlich willig zu leisten, ihre Bestes zu geben, sich für das Unternehmen und seine Kunden einzusetzen, Lösungen für Kundenprobleme zu finden.

Das ist meine feste Überzeugung und das belegen diverse Studien über die Motiviertheit von Menschen.

Ich folge dabei unter anderem Douglas McGregor, der schon vor sehr langer Zeit in seiner Forschungsarbeit festgestellt hat, dass zwei Menschenbilder in Unternehmen zu beobachten sind:

Vertrieb 4.0 ist auch abhängig vom Menschenbild das wir über andere haben

Wie du an diesem Bild sehr gut sehen kannst, entscheiden wir mit dem was wir in Unternehmen an Managementpraktiken und Strukturen festlegen, welches Menschenbild wir beobachtbar machen.

Kontrollieren wir, treiben wir an und misstrauen wir Menschen, dann verhalten sie sich so, dass wir uns bestätigt fühlen.

Tun wir das alles nicht, weil wir davon ausgehen dass Menschen „Im Grunde gut“ sind und Leistung zeigen, wenn wir es ihnen ermöglichen, dann bestätigt sich auch diese Annahme.

Warum also Provisionsmodelle und Messung von Einzelleistung in deinem Unternehmen?

Hinzu kommt, dass externe Anreize, wie die Belohnung mit Geld, sehr schnell dazu führen, dass Menschen nur noch da tun, was wir ihnen „auftragen“, wenn sie dafür eine Belohnung erhalten. Anreize wie Provisionen und Bonuszahlungen wirken also gegen die grundsätzlich vorhandene Motiviertheit des Menschen, seine Arbeit gut und erfolgreich zu erledigen.

Um das ein wenig besser zu verstehen hilft es, sich mit einer der Motivationstheorien zu befassen, die sehr anerkannt sind.

Dabei handelt es sich um die Selbstbestimmungstheorie. In ihr sind drei Faktoren für die Motiviertheit von Menschen definiert.

Das Grundkonzept der Selbstbestimmungstheorie

Edward Deci und Richard Ryan (1993, 2000) entwickelten in der Selbstbestimmungstheorie
ein Konzept von drei universellen psychologischen Grundbedürfnissen, die
Anpassungsmechanismen des Individuums an sein sozio-kulturelles Umfeld repräsentieren:

  1. Streben nach Kompetenz (effectancy),
  2. Streben nach sozialer Eingebundenheit (affiliation) und
  3. Streben nach Autonomie (autonomy) .

Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass (intrinsische) Motivation für an sich interessante Tätigkeiten durch (extrinsische) Belohnungen häufig nicht etwa gesteigert, sondern im Gegenteil abgesenkt wird. Die intrinsische Motivation ist die natürliche Tendenz, Herausforderungen zu suchen und die eigenen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. (Deci & Ryan, 2000). Geschieht eine Handlung hingegen, um eine Belohnung zu
erhalten, um einer Strafe zu entgehen oder aus anderen Gründen, die nichts direkt mit der Aufgabe zu tun haben, spricht man von extrinsischer Motivation.

Kompetenz

Menschen mit ausgeprägtem Bedürfnis nach Kompetenzerleben wollen sich erproben und sich als erfolgreich erleben. Sie haben oft eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung. Unter Selbstwirksamkeit versteht man die Überzeugung, schwierige Aufgaben aufgrund eigener Fähigkeiten bewältigen zu können. Ein Mensch mit hoher Selbstwirksamkeit ist zuversichtlich bei allen Aufgabenstellungen und hat die Überzeugung, dass
er das schaffen kann, was es sich vorgenommen hat.

Soziale Eingebundenheit

Menschen wollen (unterschiedlich stark ausgeprägt) dazu gehören und sich im Kontext mit anderen erleben.

Autonomie

Menschen haben ein (mehr oder minder stark ausgeprägtes) psychologisches Grundbedürfnis, sich als Verursacher ihrer eigenen Handlungen zu erleben. Menschen wollen selbst bestimmen, was sie tun und insbesondere wie sie es tun, wollen nicht fremdgesteuert (heteronom), sondern selbst gesteuert (autonom) agieren.

Quellen zur Selbstbestimmungstheorie
Deci, Edward. L. & Ryan, Richard. M. (2000) The „What“ and „Why“ of Goal Pursuits:
Human Needs and the Self-Determination of Behavior. In: Psychological Inquiry 11(4),
227–268.
Link: https://www.researchgate.net/publication/284515746_Deci_and_Ryan’s_selfdetermination_theory_A_view_from_the_hierarchical_model_of_intrinsic_and_extrinsic_motivation

Deci, Edward L. & Ryan, Richard M. (1993) Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation
und ihre Bedeutung für die Paedagogik. In: Zeitschrift für Pädagogik, 39 (1993) 2,
S. 223-238.

Du siehst, Menschen haben aus sich selbst heraus ausreichend Antrieb, ihre Arbeit erfolgreich und im Sinne der Wertschöpfung zu tun.

Wenn du in deinem Unternehmen etwas anderes beobachtest, hat das wahrscheinlich sehr viel damit zu tun, dass ihr mit dem wie ihr arbeitet und welche Managementpraktiken angewandt werden, einen oder mehrere dieser drei Faktoren „kaputt macht“.

Die gute Nachricht ist: Es ist nicht so schwer, das zu ändern. Ihr müsst nur weglassen, was Motiviertheit unterdrückt. Unter anderem auch das Provisionssystem.

Provisionen degradieren Vertriebsmitarbeiterinnen und Vertriebsmitarbeiter zu Auftragslieferanten

Wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin zusätzlich zur normalen Entlohnung dafür bezahlt wird eine bestimmte Leistung zu erbringen, ist das eine Art Bezahlung für eine Dienstleistung.

Weil dieser Mensch genau für diese zusätzliche Leistung zusätzlich bezahlt wird, reduziert das seine „wichtigen Aufgaben“ auf diesen Aspekt.

So verkommen Mitarbeitende durch Provisionsmodelle zu Auftragslieferanten. Sie tun dann alles dafür Aufträge zu liefern und verlieren andere wichtige Belange und für das Unternehmen sowie die Kunden relevante Wechselwirkungen aus den Augen.

Studien sprechen ganz klar gegen Provisionssysteme im Vertrieb

Reinhard K. Sprenger, Frederik Herzberg, Daniel Pink, Douglas McGregor, Mary Parker Follett und viele andere haben zur Motiviertheit des Menschen geforscht. Sie alle kommen zu dem Schluss, dass extrinsische Motivation weder notwendig noch hilfreich ist.

Warum sind dann Praktiken wie Provisionen und Bonuszahlungen so weit verbreitet?

Vieles von dem was heute in Unternehmen angewandt wird, stammt aus der Zeit der Industrialisierung. Diese hat den Menschen Wohlstand gebracht und mit vielen vorher üblichen Menschenunwürdigen Bedingungen aufgeräumt. Frederik Taylor hat mit seiner Arbeit einiges dazu beigetragen. Andere haben es später so sehr auf die Spitze getrieben, dass die alten unwürdigen Bedingungen durch neue abgelöst wurden.

Selbst wenn wir das außer acht lassen, ist klar, dass Dinge wie

  • Einer sagt allen anderen was sie tun sollen
  • Jeder Handgriff muss genau gleich ausgeführt werden
  • Am Ende kommt für jeden Kunden dieselbe Qualität raus
  • usw.

zu sehr viel Optimierung geführt haben. Diese war notwendig um kostengünstig zu produzieren und teuer zu verkaufen.

Es war aber auch nicht schlimm, dass nur einer „gedacht“ hat und alle anderen getan haben, was sich dieser eine Mensch ausgedacht hat.
Denn es gab wenige bis keine Überraschungen in Form von sich verändernden Kundenwünschen, Wettbewerbern die den Markt angreifen usw.
So lange alles seinen geregelten Gang ging und alle getan haben was man ihnen sagt, war auch alles in Ordnung.

Heute ist das anders. Denn heute werden wir jeden Tag von Kunden, Wettbewerbern Bewerbern und Partnern herausgefordert.
Überraschungen sind die Regel.

Und trotzdem führen wir Menschen noch so als ob es anders wäre.

Dieser Widerspruch führt zu den Beobachtungen die wir in Unternehmen tätigen.

Maßnahmen die zu motivierender Bezahlung führen

Wenn du bis hierhin gelesen hast, dann hast du gelernt, dass nicht Motivation einzig und alleine der Maßstab sein sollte an dem du misst ob ein Provisionssystem in deinem Unternehmen Sinn macht.

Die Wechselwirkungen sind so vielfältig und die Nachteile so stark, dass es keinen Sinn macht, mit Hilfe eines Provisionsmodelles variabel zu vergüten.

Und dennoch kann es sinnvoll sein, Mitarbeitende am Unternehmenserfolg zu beteiligen.

Der einzige Weg auf dem dies nach meiner Erfahrung aus vielen Projekte und 22 Jahren Vertriebsarbeit funktioniert ist, nicht pro Auftrag zu bezahlen, sondern am Ende des Jahres zu gucken was „übrig bleibt“. Wie erfolgreich war das Geschäftsjahr, wieviel Gewinn habt ihr erwirtschaftet?

Die Antwort auf diese Frage bestimmt, wie hoch die Erfolgsbeteiligung ausfällt.

Ich nennen das: „Das Fell des Bären teilen, wenn die Jagd vorbei ist!“

Und jetzt kommt es: Nicht nur die Mitarbeitenden des Vertriebs sondern ALLE Menschen die im Unternehmen arbeiten, bekommen etwas von diesem Fell ab.

Wie genau ihr die Aufteilung vornehmt, welcher Anteil an die Inhaber und Investoren fließt, was im Unternehmen verbleibt und wer wieviel vom Rest abbekommt, das sind Detailfragen, die ich hier nicht klären möchte.

Ich gehe darauf in meinem Webinar „So funktioniert variable Vergütung im Vertrieb tatsächlich“ detailliert ein.
Dieses findet in unregelmäßigen Abständen statt. Melde dich dazu an. Wenn gerade kein Termin geplant ist, dann sende ich dir eine Videoaufzeichnung vom letzten Termin.

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